![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Montag, den 09. 10. 2000 - 07:35 ![]() Ganz simpel. Ich halte dies für einen Mechanismus der Globalisierung, der Vereinheitlichung der modernen Gesellschaft. Kein kleines Türkenmädchen wird sich dauerhaft zwingen lassen, in seiner gesellschaftlichen Rolle zu verharren. Es braucht sich bloß umzudrehen - und wegzugehen. Und jemand anderes zu sein. Ganz nach Geschmack. Die Abgrenzung ist eine ganz simple: ich fordere dies nicht, ich beobachte es. Ich leite nicht falsch biologisch her, sondern ich konstatiere, daß Gruppendruck über Ethnie und Religion in einer offenen Gesellschaft eine notwendigerweise zurückgehende Bedeutung hat.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Montag, den 09. 10. 2000 - 10:29 ![]() Alex: "wieder-Erziehung" ist eine schlechte Übersetzung von "reeducation". Jetzt fällt mir eine andere Übersetzung ein, höchstwahrscheinlich genauso schlecht wie die erste: Neuausbildung. Die Erklärung wird jedem ermöglichen, den richtigen deutschen Begriff zu finden: Es hieß, die Juden hatten eine falsche jüdische Erziehung/Ausbildung und mussten wieder-ausgebildet werden, in dem damaligen modernen Sinn der Aufklärung. Über deinen Kommentar: Der kleine Hintergrund, den ich gebe betrifft das 18.-Anfang 19. Jh., natürlich sind heute die Abgrenzungen ganz anders zu definieren! Ich finde die geschichtlichen Umständen von so einem verhängnisvollen Phänomen wie Antisemitismus sehr wichtig. Wenn ich schon das Forum eröffnet habe, dann das Erste, was ich machen soll ist den Hintergrund des Phänomens, sei es nur in einer sehr kurzen Form, darzustellen. Die Anderen können ergänzen wenn sie Lust dazu haben. Insofern mir die Zeit erlaubt werde ich aber auf jeden Fall mit dem Hintergrund des Antisemitismus weitergehen.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Montag, den 09. 10. 2000 - 12:03 ![]() Reeducation = Umerziehung. Der Begriff fand in der Nachkriegszeit übrigens auch Verwendung für das Umbauen der deutschen Öffentlichkeit von Nazis zu Demokraten. Siehe auch reeducation-camp = Umerziehungslager. Über deinen Kommentar: Der kleine Hintergrund, den ich gebe betrifft das 18.-Anfang 19. Jh., natürlich sind heute die Abgrenzungen ganz anders zu definieren! Der Kommentar bezog sich auf KatrinAnn.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Samstag, den 14. 10. 2000 - 08:23 ![]() Ein Link nach ZiN. Frau Doktor Popp ist mal wieder in Hochform.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Samstag, den 14. 10. 2000 - 11:51 ![]() Popp weiter oben im Archiv: Eine besondere Spielart war der osteuropäische Antisemitismus, charakteristisch für Polen, die Balten- und die Balkanstaaten bzw die k.u.k. Donaumonarchie. Genaueres in Brigitte Hammann Hitlers Wien 1996. Diese Auswüchse waren áuch bereits ganz rassistisch. Im Gedächtnis geblieben ist mir auf der österreichischen Seite vor allem die katastrophale Figur des Jörg Lanz von Liebenfels, der eine esoterische Rassen-Theorie entwickelte und in seiner Zeitschrift Ostara verbreitete; dort erscheinen die Germanen als "blau-blonde Lichtgestalten", die Juden als "Sodomsäfflinge". Lanz von Liebenfels war verbal derart extrem, dass seine Schriften von nationalsozialistischer Seite 1938 verboten wurden... Der war selbst denen peinlich. Das ist natürlich falsch. Wegen Antisemitismus wurden im III. Reich keine Bücher verbrannt. Schon gar nicht, weil dabei einer verbal extrem aufgetreten wäre. Lanz von Liebenfels war einer der Begründer der völkischen Esoterik. In welchem Verhältnis er zu Hitler steht, wird hier erwähnt. Ich bitte die Länge des Zitates zu entschuldigen, aber ist wirklich bemerkenswert, daß in diesem Umfelde nahezu jeder Schwachsinn wiederkehrt, auf den man im Web immer wieder stößt. Völkische Esoterik Um zu erkennen, welche Ansichten und Weltvorstellungen Hubbard von den europäischen Neognostikern wie Blavatsky und Crowley übernahm, ist ein Exkurs in die völkisch-okkulte Szene Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland und Österreich-Ungarn nötig: Dort finden sich Motive wie "Licht und Dunkelheit" oder "Herren- und Untermenschen" etwa bei Jörg Lanz von Liebenfels, einem eifrigen Leser von Blavatskys Werken. Der von Wilfried Daim als "Mann, der Hitler die Ideen gab" (28), biografierte, exkommunizierte Zisterzienser-Mönch hatte mit seinem Buch Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götterelektron (29) die religiös-darwinistische Basis für die antisemitisch-völkische Szene im Wien der Jahrhundertwende geschaffen. Liebenfels teilte die Menschheit in zwei Gruppen ein: die "Asinge", abgeleitet vom nordischen Geschlecht der Asen, und die "Tschandalen", abgeleitet von Candala, den Mischrassen im alten Indien (30). Wie bei Hubbard befanden sich auch bei ihm "bedeutende kosmische Prinzipien im Kampf miteinander, und es konnte nur Sieg oder Vernichtung geben" (31). Am 25. Dezember 1900 hatte Liebenfels den "Ordo Novi Templi" (O.N.T.) (32) gegründet. Stark beeinflußt wurde er dabei von Blavatsky und dem "Golden Dawn", deren theosophische sowie okkulte Theorien und Praktiken in Liebenfels einen begierigen Schüler und Nachahmer gefunden hatten. Im O.N.T. strandeten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche radikale Vertreter der sogenannten völkischen Opposition, unter ihnen viele spätere SS-Mitglieder. Auch Theodor Fritsch (33), in dessen Verlag (Leipzig/München) Alfred Rosenberg die Protokolle der Weisen von Zion veröffentlichte, gehörte dem O.N.T. an. Fritsch war Mitbegründer des Germanenordens (1912 in Berlin gegründet), aus dem später die Thule-Gesellschaft (34) entstand. Zugleich war er Herausgeber der antisemitischen Hammer-Blätter für deutschen Sinn. Sie waren die "mit 11.000 Abonnenten weitestverbreitete deutschvölkische Zeitschrift" (35). Fritsch verfaßte außerdem das Handbuch der Judenfrage (Auflage bis 1944: rund 330.000 Exemplare). Im Vorwort dazu hieß es: "Die Judenfrage wird solange nicht erledigt sein, als das Judentum [...] aus dem deutschen Volkskörper ausgeschieden ist." (36) Das Buch spielte bei der rassistischen Indoktrination der deutschen Bevölkerung eine bedeutende Rolle, da es eine gesellschaftswissenschaftliche "Rechtfertigung" für den Holocaust liefern sollte. Über den Generalstabschef der k.u.k. österreichisch-ungarischen Armee, Gotthard von Scheuma (37), der dem Wiener Kreis der kosmischen Philosophen angehörte, stand der O.N.T. schließlich in Verbindung mit dem Theosophen Franz Hartmann, der 1906 den Ordo Templi Orientis gegründet hatte, dem sich sechs Jahre später Aleister Crowley anschloß. Außerdem bestand über Scheuma Kontakt zu Alfred Schuler, der die kosmischen Philosophen ins Leben gerufen und Hitler zu dessen Wiener Zeit in seinem kleinbürgerlich-chauvinistischen Antisemitismus nachhaltig geprägt hatte. Hitler, der in Wien verschiedene geheime Zirkel, ariosophische und okkulte Logen besuchte (38), saugte das in ihnen kultivierte mystische Geheimwissen auf und nahm es nach München mit, wo er 1918 im Dunstkreis der Thule-Gesellschaft wieder auftauchte. Etliche Mitglieder dieser Gesellschaft waren Anhänger eines kruden theosophischen Glaubens, der aus der ario-germanischen Religionskonstruktion Guido von Lists, der Glazial-Kosmogonie Hanns Hörbigers (39), den neognostischen Vorstellungen Blavatskys und dem anti-alttestamentarischen Urchristentum (Marcioniter) (40) bestand. Auch Liebenfels war Thule-Mitglied und brachte sein Gedankengut vor allem durch die Zeitschrift Ostara (41) darin ein. In dem Blatt, das Hitler schon während seiner Wiener Zeit gelesen hatte (42), nannte Liebenfels die Feinde der Arier "Affenmenschen" - eine Bezeichnung, die Hubbard zur Stereotypisierung angeblich minderwertiger Menschen ebenfalls benutzte. Er vertrat die Auffassung, daß die "Arier von elektrischen Urwesen [abstammten], deren Leib aus einem elektrischen Fluidum [bestünde]." (43) Sie hätten durch "gezielte Zuchtauswahl" die Möglichkeit, den "Übermenschen" [vgl.: Hubbards "Operierender Thetan", d. Verf.] zu erzeugen, der die "dunklen Mächte" schließlich besiegen werde. Dieses Motiv diente in der nationalsozialistischen Ideologie einerseits als "Rechtfertigung" inhumaner medizinischer Experimente und arischer Zuchtstätten wie dem "Lebensborn", andererseits als mystische "Begründung" für die "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" (44). In der Thule-Gesellschaft gab es ferner eine esoterische Fraktion um Karl Haushofer, den späteren Leiter des "Volksbundes für das Deutschtum im Ausland" (VDA): die sogenannte Vril-Gesellschaft. (45) Deren Anhänger glaubten an eine "Herrenrasse der lichten Gottmenschen, die vor 500 Millionen Jahren aufgrund einer kosmischen Katastrophe im Sonnensystem Aldebaran" (46) auf der Suche nach neuem "Lebensraum" auf die Erde gekommen sei. Jene Gottmenschen stünden nach wie vor mit den Menschen auf der Erde in Kontakt. Und nach einem kommenden Weltkrieg, so glaubten die Vril-Mitglieder, würde dann das "tausendjährige goldene Zeitalter" (47) beginnen. Offenbar hatten derlei obskure Szenarien die okkulten Kreise der frühen Nationalsozialisten besonders fasziniert: So soll Karl Haushofer, der mit dem verklärten Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß eng befreundet war, in den zwanziger Jahren Kontakt zu einer in Berlin lebenden Kolonie tibetanischer Mönche gehabt haben. Deren Mitglieder hätten die Legende eines "jahrtausendealten Kampfes zwischen zwei extraterrestrischen Völkern" (48) überliefert. Um dieser Geschichte nachzugehen, sei Haushofer mehrmals nach Tibet und Indien gereist und nach seiner Rückkehr dem Glauben verfallen, es gebe ein "unterirdisches Reich im Himalaya als Ursprungsort der arischen Rasse" (49).Der Vril-Gedanke "scheint seinen Ursprung in Deutschland gehabt zu haben" (50), wurde aber erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts vom englischen Schriftsteller Edward Bulwer-Lytton (51) propagiert. Heute taucht er in post-nationalsozialistischen Gruppen wieder auf - vor allem in Lateinamerika, Frankreich und Deutschland. (52) Dort wird er mit Legenden von außerirdischen Besuchern, UFOs, neuen kosmischen Energieformen oder - wie bei Hubbard - mit extraterrestrischen Psychiatern, Reinkarnationsglauben und Welterlösungsplänen vermengt. Derlei Mythen verbreitete seit etwa 1870 auch Helena Petrovna Blavatsky: Sie behauptete, mysteriöse Botschaften außerirdischer Wesen erhalten zu haben, die "[...] gewissen geheimen Mahatmas [anvertraut wurden]". (53) Blavatsky hatte jene Boten angeblich in Tibet kennengelernt und war überzeugt, es handelte sich um "spiritistische Adepten, die eines Tages die Welt erneuern würden". (54) Ihre Botschaften goß die gebürtige Russin in die Form einer Supra-Religion, die Theosophie, die Ende des 19. Jahrhunderts Tausende von Anhängern in Europa, Indien und den USA fand. Auf Blavatsky geht auch die Popularisierung des Wortes "Arier" zurück: Es stammt ab vom altindischen Wort "aryas", was im Ur-Buddhismus (500 v. Chr. bis 0) soviel bedeutete wie "edel" oder "heilig". (55) Die Theosophie wurde zur populären Gegenbewegung des ausklingenden 19. Jahrhunderts, von der sich zum einen romantische Schwärmer wie der Dichter Stefan George, zum anderen aber auch Skeptiker der fortschreitenden Industrialisierung wie Oswald Spengler inspirieren ließen, die in den traditionellen westlichen Kirchen nicht mehr die Erfüllung ihrer sprituellen Bedürfnisse fanden. Zwar hatte auch der schwedische Ingenieur Emanual Swedenborg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts seine eigene neue Kirche gegründet und von "Verbindungen mit Engeln und Geistern" (56) gepredigt. Doch "der eigentliche spiritualistische Anstoß dieser Zeit" (57) ging von Blavatsky aus: "In ihrem Hauptwerk ,Isis Unveiled' lehrte [sie], wie man die zwischen Menschen und die Astralleiber gelegten Schleier lüften könne. Adepten denen es gelänge, den Schleier zu zerreißen, wären dann in der Lage, alles bisher Gewußte beziehungsweise alles noch zu Erfahrende zu kennen. Neben seinem eigenen physischen Leib besaß jeder Mensch noch einen Astralleib, und dieser befähigte ihn, so er ein Adept war, mit dem ,Lebensgeist des Universums' in Verbindung zu treten. [...] Und konnte ein Jünger außerdem mit einer Geheimlehre das unsichtbare Universum erfassen, dann nahm die Idee des Karma[s] - des ewigen Kreislaufs von Geburt und Wiedergeburt - dem Tod seinen Stachel." (58) Zunächst war die Theosophie nicht rassistisch. Sie entwickelte sich aber um die Jahrhundertwende in zwei grundsätzlich verschiedene Richtungen: die esoterische, mutmaßlich pazifistisch eingestellte "Anthroposophie" Rudolf Steiners (59) und die exoterische, rassistisch-imperialistische "Ariosophie", die zunächst in Frankreich, dann aber vor allem in Österreich-Ungarn und Deutschland keimte. Hier entstanden zahlreiche "[...] Sekten mit ,völkischer', pangermanischer und antisemitischer Tendenz. [Sie] bereicherten die religiöse Dimension des Nationalsozialismus und lieferten ihm eine Kosmologie und eine eigene Rechtfertigung für seine Rassenlehre." (60) Neben der rassenbiologischen "Begründung" des Antisemitismus führte die Mystifizierung der angeblichen "Herrenrasse" dazu, daß die Judenvernichtung von der deutschen Bevölkerung als glaubensgegeben hingenommen oder gar gefordert wurde. Durch die Erhebung des Nationalsozialismus in den Stand einer Religion mit Hitler als Heilsbringer erhielt der Holocaust den Anstrich einer inquisitorischen Maßnahme, die folglich gottgehorchend und somit ein probates Mittel für den Erhalt der deutschen Nation sein mußte. Im nationalsozialistischen Alltag nach der Machtergreifung war der okkulte Unterbau des Systems allerdings kaum noch sichtbar, da Hitler erkannt hatte, daß die Bevölkerung nicht mit sektiererischem Geheimwissen und magischen Formeln für den von ihm geplanten imperialistischen, antijüdischen Kreuzzug mobilisiert werden konnte. Statt dessen einte er die "Volksmassen" unter dem scheinbar bedeutungsvollen Symbol des Hakenkreuzes. Er vereinfachte damit den Hintergrund der Bewegung und faßte dessen Mystik plakativ zusammen. Das Hakenkreuz wurde zum alles überragenden Symbol seiner völkischen Ersatzreligion. Nur ariosophischen Schwärmern wie Himmler, Heß oder Haushofer blieb es - mit Einschränkungen - gestattet, ihren obskuren Fantasien nachzugehen. Himmler etwa unterstand das "Amt für Ahnenerbe", eine parawissenschaftliche Gruppe "verkrachter Existenzen" (61), die 1938/39 eine Expedition nach Tibet unternahm und dort den Ursprung der arischen Rasse aufspüren wollte, die aber ebenso beteiligt war an den "rassebiologischen" Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. (62) Auch die "Wewelsburg", eine Kaderschmiede der SS, war ein Produkt Himmlers, der dort unter anderem die Führungselite für seinen geplanten Arierstaat "Burgund" ausbilden wollte. (63) Wie absonderlich die okkulten Rituale der SS-Elite bisweilen ausfielen, zeigt eine damalige Empfehlung, SS-Mitglieder sollten "ihren Nachwuchs auf den Grabsteinen berühmter Deutscher [...] zeugen, auf daß die Kinder etwas von den Tugenden der toten Helden in sich aufnähmen. [...] Dieser Vorstellung wurde immerhin soviel Gewicht beigemessen, daß im offiziellen SS-Organ Listen von Grabsteinen veröffentlicht wurden, die als Kopulationsort in Frage kamen". (64) Wenngleich viele dieser Darstellungen eher in den Bereich der Sagen und Mythen fallen, ist klar, daß die Thule-Gesellschaft und die in ihr gesammelten okkulten Strömungen bei der Entstehung des Nationalsozialismus eine bedeutende Rolle spielten: Zum einen stammten aus ihren Reihen bekannte Nazis, etwa der spätere "Reichsminister für die besetzen Ostgebiete", Alfred Rosenberg, der Hitler-Sekretär und stellvertretende NSDAP-Vorsitzende (bis 1941), Rudolf Heß, und der rhetorische Mentor Hitlers, Dietrich Eckart. Zum anderen war die Gesellschaft maßgeblich an der Zerschlagung der Münchener Räterepublik durch nationalistisch-antikommunistische Freikorps beteiligt, aus denen sich später die nationalsozialistische "Schutzabteilung" (SA) bildete. Sicher ist ebenso, daß die Nationalsozialisten etliche Inhalte des ideologischen Repertoires der Thule-Gesellschaft übernommen haben, darunter das Führerprinzip, das Hakenkreuz und die SS-Runen. Hitler selbst hat schließlich "[...] aus den völkischen Zaubertränken griffige Inhalte destilliert und die Symbole plakativ vereinfacht." (65) Dieselben Inhalte und Symbole sind bis heute im Einsatz: einerseits bei zahlreichen völkisch-radikalen Gruppen in Deutschland, Österreich, den USA und Südamerika, andererseits als Doktrin, Embleme und Codices der Scientology-Bewegung. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nach dem Zweiten Weltkrieg transferierten Thule-Mitglieder ihr "Geheimwissen" nach Südamerika und in die USA, wo es letztlich auch bei Hubbard landete. (66) Der bis dahin gebeutelte Schriftsteller wollte nun selbst das goldene Zeitalter einläuten - und nebenbei seine Finanzen aufbessern. Er hatte bereits magisches und mystisches "Geheimwissen" kennengelernt, das Aleister Crowley aus dem "Golden Dawn" (dt. etwa: "goldene Morgendämmerung") übernahm und später veröffentlichte, und machte sich gegen Ende der vierziger Jahre daran, den Traum eines Weltimperiums zu verwirklichen. Schließlich verband Hubbard mit seinem Wahn vom Sendungsbewußtsein luziferischer Art (67) den Anspruch, die Welt vom angeblichen Joch der Sklaverei kosmischer Tyrannen zu befreien. Dabei sollte seine Gefolgschaft gemeinsam mit ihm, dem Lichtbringer, am Ende den Jüngsten Tag begehen. (68) So ernannte sich Hubbard selbst zum prophetischen Guru eines Endzeitkults. Zwar offenbarte er im gleichen Atemzug seinen Anhängern, daß er "nicht als religiöser Führer, sondern als politischer" (69) auf die Erde zurückkehren werde. Die endzeitliche Sichtweise rückt Hubbard aber umso mehr in die Nähe Hitlers, der die apokalyptische Vision vom "Sieg oder Untergang des deutschen Volkes" (70) ebenfalls bis zu seinem Tod beibehielt. Vom antisemtischen Katholiken zum antisemitischen Ideengeber Hitlers, und zuguterletzt als okkulter Spinner aussortiert. So war das wohl.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Sonntag, den 15. 10. 2000 - 20:07 ![]() Ich komme lieber zurück zu meinem Forum, was im Zeit-Forum geschrieben wird passt hier sowieso: Margret Popp in Zeit Debatte / Politik: Wenn zwei das gleiche tun , ist das noch lange nicht dasselbe? #172 Der Ausdruck Holokaust ist ungeeignet, die Verbrechen in den Vernichtungslagern zu beschreiben, weil er den Blick von den nicht-jüdischen Opfern weglenkt. Juden mögen dies als ihren Holokaust sehen. Das ist doch interessant. Da der Ausdruck "Holocaust" eher die Verbrechen gegen die Juden beschreibt, ist er ungeeignet. Juden aber mögen "dies" als ihren Holocaust sehen, wenn es ihnen so einfällt.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Sonntag, den 15. 10. 2000 - 21:17 ![]() Sag ich doch. Es geht um nicht anderes als die Unsichtbarmachung der Opfer. In ein paar Jahren wird von der ganzen Geschichte dann nicht mehr übrig sein, als ein paar vergaste Märtyrerchristen. Katholische, natürlich. So arbeiten die seit 2000 Jahren. Berufstäter, die sich als Berufsopfer maskieren. (Wissend um die Vorgänge in Polen um Auschwitz würde ich als Christ ja sowas von die Schnauze halten. Aber so sind sie eben nicht gestrickt.)
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Freitag, den 20. 10. 2000 - 10:26 ![]() Robert Groenewold hat jetzt auch ein Antisemitismus-Forum aufgemacht Ich fürchte, es wird bald unter die Arier fallen.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Dienstag, den 24. 10. 2000 - 18:47 ![]() Da mir die Atmosphäre in HD viel angenehmer ist, möchte ich hier einpaar Bemerkungen über die Beiträgen von Karls Forum in "Zeit" machen: Margret Popp: "Denkt über diesen Ausdruck nach. Der ist geeignet, ein Phänomen zu zerteilen, das in Wahrheit eine Einheit war: Das Abschlachten der Juden, Zigeuner, Dissidenten, Homosexuellen, Behinderten in den Vernichtungslagern; der Ausdruck zieht den Blick von Tausenden von Opfern ab, denen ihr aber ebenfalls verpflichtet seid. Und zu mehr als nur zu einer mentalen Gedenkecke." Total falsch. Alle Opfer sind längst weit und breit bekannt. Auch die Prozente. Ich hatte mir jedoch überlegt, ob sich die Kritik an dem Ausdruck auch Juden gegenüber aufrecht erhalten ließe und meinte: Eigentlich ja. Trotz allem. und später: Aber dennoch, wenn ich das höflich und herzlich fragen darf: Was ist eure Anschauung, wenn ihr diesen Begriff gebraucht? Engt er nicht (abseits von Lexikon-Definitionen) auch euern Blick auf euer Volk, bzw die Mehrheit der Opfer ein, die ohnehin nicht vergessen werden kann? Wäre es nicht besser, wenn auch ihr die Minderheit schon mit in eurer Begrifflichkeit zum Erscheinen brächtet, wo sie doch im Tod nicht von den Angehörigen eures Volks getrennt waren? Und, wie man bis heute sieht, viel leichter in Vergessenheit geraten als diese?" Die nichtjüdischen Opfer des Naionalsozialismus sind in jüdischen Studien seit Jahrzehnten anerkannt und reichlich kommentiert. Entweder muss Margret Popp wissen, von was sie redet, oder muss sie schweigen anstatt ungerechte Kritik zu machen. Es ist aber nicht meine erste Erfahrung mit Margret Popp, am Anfang konnte ich nicht glauben, dass jemand, der sich so belesen gibt eigentlich so gut wie nichts von Juden kennt, dh von einem Thema, von dem sie ständig wie ein "connoisseur" redet. Ihr seht das möglicherweise als das Brandopfer eures Volks, das die Geschichte von euch gefordert hat. Wie die Juden "das" sehen könnte Margret Popp ganz bequem von den noch lebendigen Juden erfahren, sie sind da, es gibt zahlreiche Historiker darunter, "möglicherweise" gibt es nicht, man muss möglicherweise ihre Bücher lesen, sie stehen möglicherweise auf jedem möglichen Regal in jeder möglichen Bibliothek. Außerdem: Das Brandopfer hat nicht "die Geschichte", sondern die Nazis von den Juden "gefordert". Ganz KONKRETE NAZIS. Margret Popp ist sehr erfinderisch in kleinen sprachlichen Spielen, die die Tatsachen maskieren. Erstmal kam sie mit Ich leugne übrigens den Holokaust, indem ich den Begriff zurückweise. Da war sie nur sprachlich besorgt, ich bitt' Sie, deswegen kam sie in Schwung mit diesem provozierenden, unverantwortlichen Satzanfang. Jetzt hat sie eine neue sprachliche Idee: Sie ersetzt die Nazis mit einer abstrakten "Geschichte", so etwa wie "Schicksal". Morgen wird sie noch die griechische Tragödie, die Parcae und die Planeten zu Hilfe holen um den Holocaust zu rechtfertigen. Das wäre eine Sehweise, deren Entstehen nachvollziehbar und bis zu einem gewissen Grad zu respektieren wäre. Und ein Wortgebrauch, der in euerm Munde verständlicher sein würde als in dem von (nicht-jüdischen) Deutschen. Wozu ich euch gegenüber daher vielleicht schweigen sollte. Sie könnte es "nachvollziehen", noch mehr, "bis zu einem gewissen Grad respektieren". Sehr großzügig, so eine unverhoffte Toleranz und so eine übermenschliche Anstrengung, um den jüdischen Sprachgebrauch als "verständlich" zu betrachten. "Schweigen" allerdings tut sie nie, im Gegenteil, sie hat unheimlich viel Zeit für Internet chatting.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Donnerstag, den 26. 10. 2000 - 20:10 ![]() Streiflicht aus einem anderen Forum: Auch das noch: Solidarität mit Davidstern in Deutschlandfarben
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Freitag, den 27. 10. 2000 - 21:36 ![]() Letzte Woche kaufte ich mir ein Buch: "The Holocaust Chronicle" -- dann merkte ich, dass der Inhalt auch auf einer Website zu finden ist. In diesem Buch sah ich ein Foto von einer Versammlung der Nazis, der Saal wurde mit grossen Bannern bedeckt, auf denen stand geschrieben: 'Die Juden sind unsere Unglueck!' Ich hatte ja schon vorher viele Mal Abbildungen gesehen von Bannern, Postern, Wandmalereien mit genau diesem Spruche: 'Die Juden sind unsere Unglueck!' -- aber als ich durch dieses neue Buch blaettere und es mal wieder sah, ging mir ploetzlich auf, wie offensichtlich und einfach die Denkstoerung hinter diesem einen Spruch war: die Leute, die das glaubten, waren ja ganz eindeutig ihr eigenes (und der Juden und Europas und ja sowieso der ganzen Welt) Unglueck. Eine Banalitaet, vielleicht: mir aber eine poletzliche Einsicht. So ganz anschaulich und durchsichtlich wie hier ist wohl selten die ganz Suendenbock-Denkstoerung anzusehen, die ein so wesentliches Teil des Antisemitismus ist: Ein Armee von hitzkoepfige Idioten, gradelings in die Katastrophe, in Elend und Tod marschierend, dabei stets weg von sich die Zeigefinger rausgestreckt: die sind es. Die Juden sind unsere Unglueck. Ein Mensch wie Hitler oder Himmler, und ein jeder Vorzeigerassist vorher und seither, war bzw. ist ja fast ausschliesslich ein Haufen Unglueck. Antisemitismus ist u.a. Ersatz fuer Selbstkritik, man stricht sich eine Weltverschoerung zusammen um sein eigenes Versagen zu erklaeren. "Ich wusste ja nie, wieso denn dies und dies mir so schwierig war, und mein Leben wie ferngesteuert und mir versaeuert... Dann aber hoerte ich Hitler (las ich H.S. Chamberlain, las ich Van Helsing, las ich Junge Freiheit, hoerte ich Lyndon LaRouche) und mir wurde ploetzlich alles klar..." Die Parallelen zu dem Klassiker unter den Suendenboecken, zu der Idee des Teufels naemlich, sollen, denke ich, erkenntlich sein -- und zwischen der Annehme einer antisemitischen Weltansicht und der Erlebnis der christlichen (oder moslemischen oder meinetwegen hinduistischen oder zarathustristichen) Erloesung: hier wie dort wird alles, alles mit einem Mal, ekstatischerweise, klar. Mit einem Mal macht die Welt Sinn, mit einem Mal besitzt man den Schluessel zur Verstaendnis jeder Menge weltlenkender unsichtbarer Maechte... Hier wie dort: unreflektiertes Glauben ersetzt kritisches, erwaegendes Denken. Mal ist es eine vergleichsweise sanfte Erloesung, wie zB bei den Quakers; mal eine eindeutig gemeingefaehrliche wie bei den Nazis: so oder so handelt es sich um Verzicht auf Denken, um die Verweigerung, weiter zu denken, ja die Verachtung des Denkens, weil das Denken einem eben zuviel geworden ist. Wenn man nicht viel von der Denkfaehigkeit, der Erziehbarkeit der Menschen haelt, dann vielleicht haben sogar diejenigen recht (vgl. dazu Schopenhauers Dialog zum Beginn von Kapitel 15, "Ueber Religion", in Parerga und Paralipomena II), die uns sagen wollen, eine Religion, eine sanfte, sei fuer die meisten Leute noetig: denn so oder so wuerden den Meisten das Denken zuviel, und eine sanfte Religion wuerde nur vor Schlimmerem hueten. So geringschaetzend stehe ich gegenueber den allgemeinen Massen (noch) nicht, wie seinerzeit auch nicht der beruechtige 'Menschenverachter' Schopenhauer.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 10:25 ![]() Die Parallelen zu dem Klassiker unter den Suendenboecken, zu der Idee des Teufels naemlich, sollen, denke ich, erkenntlich sein -- und zwischen der Annehme einer antisemitischen Weltansicht und der Erlebnis der christlichen (oder moslemischen oder meinetwegen hinduistischen oder zarathustristichen) Erloesung: hier wie dort wird alles, alles mit einem Mal, ekstatischerweise, klar.Das ist ein sehr klarsichtiger Gedanke, der für mich neu ist. Wenn man nicht viel von der Denkfaehigkeit, der Erziehbarkeit der Menschen haelt, dann vielleicht haben sogar diejenigen recht (vgl. dazu Schopenhauers Dialog zum Beginn von Kapitel 15, "Ueber Religion", in Parerga und Paralipomena II), die uns sagen wollen, eine Religion, eine sanfte, sei fuer die meisten Leute noetig: denn so oder so wuerden den Meisten das Denken zuviel, und eine sanfte Religion wuerde nur vor Schlimmerem hueten.Man möchte nicht, daß das wahr ist. Aber vielleicht ist es wahr. Diego redet Klartext.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 12:10 ![]() Quelle der Zitate?
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 12:41 ![]() Der Beitrag von Steven direkt vor meinem.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 14:03 ![]() Da sag noch mal einer, Schopenhauer sei langweilig: Bloß die Protestanten, in ihrem starren Bibelglauben, haben sich die ewigen Höllenstrafen nicht nehmen lassen. Wohl bekomm's, - könnte sagen wer boshaft wäre: allein das Tröstliche dabei ist, daß sie eben auch nicht daran glauben, sondern die Sache einstweilen auf sich beruhen lassen, in ihrem Herzen denkend: nun, es wird ja wohl so schlimm nicht werden. Parerga und Paralipomena II Aus der selben Quelle Luthers Anweisung zum Umgang mit Juden: "Erstlich, das man jre Synagoga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen will, mit erden überheufe und beschütte, das kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich. Und solches sol man thun, unserm Herrn und der Christenheit zu ehren damit Gott sehe, das wir Christen seien. Zum anderen, das man auch jre Heuser des gleichen zerbreche und zerstöre, Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in jren Schülen treiben. Dafur mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall thun, wie die Zigeuner, auff das sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande... Zum dritten, das man jnen nehme all jre Betbüchlein und Thalmudisten, darin solche Abgötterey, lügen, fluch und lesterung geleret wird. Zum vierten, das man jren Rabinen bey leib und leben verbiete, hinfurt zu leren... Zum fünften, das man die Jüden das Geleid und Straße gantz und gar auffhebe... Zum sechsten, das man jnen den Wucher verbiete und neme jnen alle barschafft und kleinot an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwaren... Zum siebenden, das man den jungen, starcken Jüden und Jüdin in die Hand gebe flegel, axt, karst, spaten, rocken, spindel und lasse sie jr brot verdienen im schweis der nasen..." Der war anscheinend sowieso recht kriegerisch: "In solch einem Krieg ist es christlich... zu würgen, rauben, brennen und alles zu tun, was schädlich ist... es ist in Wahrheit auch ein Werk der Liebe... Sprich ein Credo und das Vaterunser... und zeuch dann vom Leder und schlage drein in Gottes Namen." Wer wolle bestreiten, dass das christliche Tradition ist.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 19:46 ![]() Da sag noch mal einer, Schopenhauer sei langweilig: *g* Sage ich bestimmt nicht. "Dies stimmt zu dem asketischen Geiste der Verleugnung des eigenen Selbst und der Ueberwindung der Welt, welcher, eben wie die gränzenlose Liebe des Nächsten, selbst des Feindes, der Grundzug ist, welchen das Christenthum mit dem Brahmanismus und Buddhaismus gemein hat, und der ihre Verwandschaft beurkundet. Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schaale zu unterscheiden, wie beim Christenthum. Eben weil ich diesen Kern hoch schätze, mache ich mit der Schaale bisweilen wenig Umstände: sie ist jedoch dicker, als man meistens denkt. Der Protestantismus hat, indem er die Askese und deren Centralpunkt, die Verdienstlichkeit des Cölibats, eliminirte, eigentlich schon den innersten Kern des Christenthums aufgegeben und ist insofern als ein Abfall von demselben anzusehn. Dies hat sich in unsern Tagen herausgestellt in dem allmäligen Uebergang desselben in den platten Rationalismus, diesen modernen Peligianismus, der am Ende hinausläuft auf eine Lehre von einem liebenden Vater, der die Welt gemacht hat, damit es hübsch vergnügt darauf zugehe (was ihm dann freilich misrathen seyn müßte), und der, wenn man nur in gewissen Stücken sich seinem Willen anbequemt, auch nachher für eine noch viel hübschere Welt sorgen wird (bei der nur zu beklagen ist, daß sie eine so fatale Entree hat). Das mag eine gute Religion für komfortable, verheirathete und aufgeklärte protestantische Pastoren seyn: aber das ist kein Christhentum. Das Christenthum ist die Lehre von der tiefen Verschuldung des Menschengeschlechts durch sein Daseyn selbst und dem Drange des Herzens nach Erlösung daraus, welche jedoch nur durch die schwersten Opfer und durch die Verleugnung des eigenen Selbst, also durch eine gänzliche Umkehrung der menschlichen Natur erlangt werden kann. - L u t h e r mochte, vom praktischen Standpunkt aus, d. h. in Beziehung auf die Kirchengräuel seiner Zeit, die er abstellen wollte, ganz recht haben: nicht aber ebenso vom theoretischen Standpunkte aus. Je erhabener eine Lehre ist, desto mehr steht sie, der im Ganzen niedrig und schlecht gesinnten Menschennatur gegenüber, dem Mißbrauch offen: darum sind im Katholicismus der Mißbräuche so sehr viel mehr und größere, als im Protestantismus. So z. B. ist das Mönchsthum, diese methodische und, zu gegenseitiger Ermuthigung, gemeinsam betriebene Verneinung des Willens, eine Anstalt erhabener Art, die aber eben darum meistens ihrem Geiste untreu wird. Die empörenden Mißbräuche der Kirche riefen im redlichen Geiste Luthers eine hohe Indignation hervor. Aber in Folge derselben kam er dahin, vom Christenthum selbst möglichst viel abdingen zu wollen, zu welchem Zweck er zunächst es auf die Worte der Bibel beschränkte, dann aber auch im wohlgemeinten Eifer zu weit gieng, indem er, im asketischen Princip, das Herz desselben angriff. Denn nach dem Austreten des asketischen Princips trat nothwendig bald das optimistische an seine Stelle. Aber Optimismus ist, in den Religionen, wie in der Philosophie, ein Grundirrtum, der aller Wahrheit den Weg vertritt. Nach dem Allem scheint mir der Katholicismus ein schmählich mißbrauchtes, der Protestantismus aber ein ausgeartetes Christenthum zu seyn, das Christenthum überhaupt also das Schicksal gehabt zu haben, dem alles Edele, Erhabene und Große anheimfällt, sobald es unter Menschen bestehn soll." (Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, Kap. 48) Naja, also das mit dem "redlichen Geiste" und "wohlgemeinten Eifer" Luthers... ich weiß nicht. Kenne mich mit Luther aber auch zuwenig aus.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 20:04 ![]() By the way, selbst in Schopenhauers Werken gibt es einige antisemitische Tendenzen, Hitler soll Schopenhauer übrigens geschätzt haben. "In dieser Umgebung (...) und fand dort, wenn man seinen Worten glauben darf, auch die Zeit, Bilder zu malen und Schopenhauers Werke zu lesen" Ian Kershaw, Hitler 1889 - 1936, S. 130
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 20:46 ![]() By the way, selbst in Schopenhauers Werken gibt es einige antisemitische TendenzenBelege?
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 21:10 ![]() Hallo Huck, Das Überindividuum Arthur Schopenhauer, der Nationalsozialismus, wir und ich Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Sehr interessante Arbeit, finde ich. Auszug: "Es ist höchst zweifelhaft, ob Arthur Schopenhauer, als er diese Worte nicht lange vor seinem Tod aussprach, sich als den Rezipienten seiner Lehre einen der grausamsten und unmenschlichsten Diktatoren der Weltgeschichte vorstellte, einen Menschen, dessen übermächtiger Willensdrang in höchstem Maße der Schopenhauerschen Ethik der Willensverneinung widersprach, der Tod und unermeßliches Leid über Millionen Menschen brachte, anstatt Mitleid mit ihnen zu haben, der trachtete, ein ganzes Volk systematisch zu ermorden, und damit die Tragik der Selbsttäuschung des Willens über seine eigentliche Einheit in grellstes Licht tauchte. Adolf Hitler jedoch zählte Schopenhauer zu seinen prominentesten Einflüssen und Vorbildern. In Hitlers Reden und Gesprächen und auch in seinen schriftlichen Aufzeichnungen findet sich während der gesamten Dauer seines Aufstieges, am Höhepunkt seiner Macht und sogar, als sein Ende auch Hitler selbst sich als unausweichlich zeigte, immer wieder der Rekurs auf Schopenhauersche Gedanken oder Aussagen. Hitler bewunderte die Schopenhauersche Sprache, seine Kompromißlosigkeit und die Erhabenheit seiner Themen. In unserem ersten Abschnitt versucht ein chronologischer Abriß diese Rezeption Schopenhauers durch Hitler zu belegen. Einige Beispiele der Erwähnung Schopenhauers durch Hitler, die sich zeitlich über die Dauer von Hitlers Jugend in Wien bis zum Jänner 1945 erstrecken, sollen die Auseinandersetzung Hitlers mit Schopenhauer zeigen."
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Mittwoch, den 22. 11. 2000 - 21:33 ![]() Die Arbeit beschäftigt sich mit der Rezeption Schopenhauers durch Hitler. Die antisemitischen Tendenzen hätte ich schon gern in Schopenhauers Schriften selbst belegt. Für seine Leser kann er nicht verantwortlich gemacht werden.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Donnerstag, den 23. 11. 2000 - 00:53 ![]() Hallo Huck, Die antisemitischen Tendenzen hätte ich schon gern in Schopenhauers Schriften selbst belegt. Na gut. Ein weiterer Auszug aus dem obigen Link: "Oftmals eilt Schopenhauer sein Antisemitismus als unrühmliche fama voraus. Dieser zieht sich durch sein gesamtes Werk, vom ersten Teil des Hauptwerkes bis hin zum zweiten Teil der Parerga. Schopenhauer war in seinem Antisemitismus, im Gegensatz zu seinem Frauenbild, welches er kurz vor seinem Tode noch als durchaus revisionswürdig betrachtete, zu keiner Veränderung fähig. Zur Illustration dessen werden Auszüge aus dem zweiten Teil der Parerga und Paralipomena, seiner letzten Veröffentlichung, verwendet. Der "Judengestank" (foetor Iudaicus, z.B. III, 775; V, 438) "benebelt" (V, 444) der Menschen Köpfe, und der "jüdische Aberglaube" (V, 469) führt dazu, daß die Juden von allen Völkern verabscheut werden. Schopenhauer bemüht die seit den ersten Progromen in Europa altbekannte Schuldzuweisung des Heilandmordes, zu dessen Abbüßung die Diaspora diene (vgl. V, 309). Bei ihm findet sich auch das Wort des "parasitisch[en]" (V, 310) Lebens der Juden "auf den anderen Völkern und ihrem Boden" (V, 310). Schopenhauer findet es "absurd" (V, 310), den Juden Anteil an der Regierung oder Verwaltung irgendeines Staates einräumen zu wollen, denn sie sind und bleiben ein fremdes orientalisches Volk, müssen daher stets nur als ansässige Fremde gelten. (V, 312)" Ergänzend hierzu: "(...)so ist es überhaupt als ein großes Unglück anzusehn, daß das Volk, dessen gewesene Kultur der unserigen hauptsächlich zur Unterlage dienen sollte, nicht etwan die Inder, oder die Griechen, oder auch nur die Römer waren, sondern gerade diese Juden." (Die Welt als Wille und Vorstellung I, § 48) Er war eben auch nicht völlig frei von Vorurteilen. Wie eben kein Mensch völlig frei davon ist. Mein Lieblingsschriftsteller bleibt er trotzdem.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Donnerstag, den 23. 11. 2000 - 09:54 ![]() Huck Finn: Die antisemitischen Tendenzen hätte ich schon gern in Schopenhauers Schriften selbst belegt. Für seine Leser kann er nicht verantwortlich gemacht werden. Es stimmt, der Leser kann mit seiner Interpretation ziemlich weit gehen, aber der Inhalt des Textes muss diese Interpretation grundsätzlich ermöglichen. Die hier gegebenen Zitaten zeigen, dass manche von Schopenhauers Texte sich als antisemitische Lektüre lesen lassen.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Donnerstag, den 23. 11. 2000 - 14:39 ![]() (Leider wahr.)
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Donnerstag, den 23. 11. 2000 - 21:17 ![]() Es stimmt, der Leser kann mit seiner Interpretation ziemlich weit gehen, aber der Inhalt des Textes muss diese Interpretation grundsätzlich ermöglichen.Es gibt Leser, die recht beliebige Inhalte in Texte interpretieren. Die hier gegebenen Zitaten zeigen, dass manche von Schopenhauers Texte sich als antisemitische Lektüre lesen lassen.Aber bei Schopenhauer war das wohl doch nicht nötig. (Leider wahr.)Traurig. Und der in diesem Aspekt viel souveränere Nietzsche gilt als geistiger Ahnherr der Nazis.
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![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | Freitag, den 24. 11. 2000 - 01:10 ![]() Was bedeutet also das Wort Antisemitismus heute? Mord? Für Juden? Totschlag? Für Nichtjuden? Totschlagen? "Was ist Antisemitismus?" Ausrede fuer eigene Vorurteile? Tamara Adler, 26. Juni 2000 Als Philosemit kann ich meine Sympatie Tamara Adler gegenueber nicht weiter verbergen. Ich wuenschte nur, sie waere keine Juedin. Man koennte von Agnostiker zu Agnostiker weit relaxter communizieren.
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